Das neue ÖPNV-Gesetz
Im Landtag wird derzeit ein neues ÖPNV-Gesetz beraten, heute gab es eine Anhörung dazu. Generell freut es mich, dass die Landesregierung mit dem ÖPNV-Gesetz bereits einige Punkte aufgreift, die wir in der Enquetekommission zur Zukunft des Öffentlichen Personenverkehrs entwickelt haben. Von den weit über einhundert Handlungsempfehlungen sind es konkret rund ein Duzend. Darunter sind die regionalen Schnellbusverkehre, die heute auch ein großes Thema in der Anhörung waren. Wichtig ist aus Sicht der Piraten, dass dadurch die Schienenverkehre ergänzt und nicht ersetzt werden.
Ein Letztentscheidungsrecht des Landes in Konfliktfällen war in den Stellungnahmen stark umstritten und spiegelt im Kleinen die Diskussion wieder, die ein weitergehender Vorschlag in der Enquetekommission auslöste. Auch sonst ist das neue ÖPNV-Gesetz nicht der große Sprung, den die Verkehrspolitik und die Entwicklung um Bus und Bahn derzeit benötigen.
Sowohl der ökologische Verkehrsclub VCD als auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bemängeln in ihren Stellungnahmen, dass die Landesregierung mit ihrem Entwurf noch immer keine klaren Ziele definiert, an denen sich die Entwicklung des ÖPNV orientieren kann. Dies wird von allen Seiten bereits seit Jahren gefordert, aber SPD und Grüne vermeiden Zielvorgaben.
Damit zusammen hängt auch, dass weiterhin im Wesentlichen Bundesmittel weitergeleitet werden und ein echtes – auch finanzielles, also glaubwürdiges – Engagement des Landes für den ÖPNV fehlt. „Ein Reförmchen“ nennt daher der VCD die ÖPNVG-Novelle. Die Landesregierung tut aus eigener Kraft nichts für den ÖPNV.
Der VCD fordert in seiner Stellungnahme explizit die Einführung neuer Finanzierungsinstrumente. Beispielsweise eine Nahverkehrsabgabe auf Basis der Grundsteuer, die es den Kommunen ermöglicht, ergänzende kommunale Finanzierungsinstrumente zur Einführung von örtlichen Bürgertickets einzuführen.
Die Piratenfraktion hat zur Einführung von solchen Bürgertickets unter dem Titel „Bus und Bahn fahrscheinfrei in NRW“ eine wissenschaftliche Umsetzungsstudie in Auftrag gegeben, die konkret die Umsetzung in den Beispielstädten Bad Salzuflen und Wuppertal sowie dem Kreis Recklinghausen untersucht. Daraus werden wir im Folgenden Ableiten können, welche Änderungen diesbezüglich im ÖPNVG noch gemacht werden müssen.
Wenn der Bericht der ÖPNV-Enquetekommission mit seinen Handlungsempfehlungen vorliegt, wird das Ministerium Gelegenheiten erhalten, gute Politik auf der Basis der Ergebnisse einer guten Enquetekommission zu machen.“
Hintergrund:
In vielen Kommunen sind die Stadtbahnsysteme so marode, dass es fast schon an ein Wunder grenzt; wenn überhaupt noch ein Regelbetrieb aufrechterhalten werden kann. In den Kommunen werden gerade die Nahverkehrspläne neu aufgestellt. Die dafür erstellten Gutachten zeigen die infrastrukturellen Defizite auf und machen deutlich, wie groß die Probleme vor Ort sind.
Die technische Infrastruktur muss dringend grundlegend saniert und modernisiert werden. Mehrere Milliarden Euro sind dafür in den nächsten Jahren zu investieren. Gut angelegtes Geld, weil die Funktionstüchtigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs die grundlegendste Bedingung für einen höheren Anteil des ÖPNV ist. Je mehr Menschen vom Auto auf Busse und Bahnen – auch auf Fuß und Fahrrad – umsteigen, desto besser ist das für die notorisch überlasteten Städte.
Die Deutsche Umwelthilfe gewinnt laufend ihre Prozesse gegen Kommunen, die nicht genug gegen tödliche Luftbelastung tun und es ist wirklich keine Lösung, deshalb die Grenzwerte anzuheben.
Die unerwünschten Fahrverbote brauchen Alternativen! Die Landesregierung muss den ÖPNV massiv ausbauen. Dafür reicht die ÖPNVG-Novelle noch lange nicht.
Die kommunalen Kosten des Autoverkehrs sind deutlich höher als die des ÖPNV. Die Allgemeinheit zahlt deutlich mehr für den Autoverkehr als für Busse und Bahnen. Dennoch müssen ÖPNV-Nutzende dreimal höhere Preiserhöhungen vertragen als Autofahrende in den letzten Jahren. Dies gilt es zu ändern.
Als Gesamtkonzept mit dem ÖPNV als kommunale Pflichtaufgabe mit den entsprechenden Standards und entsprechender Finanzierung. Was außerhalb der Finanzierungsfragen und struktureller Fragen fehlt, ist ein von der Politik vorgegebenes übergeordnetes Ziel. Es fehlen klare Ziele, eine klare Darstellung, was der ÖPNV erreichen soll und was erreicht werden muss, damit die Ziele erfüllt sind.
Die Städte, Zweckverbände und Verkehrsbetriebe müssen sich daran orientieren können. Auch an konkreten Zahlen. Solange für ein Unternehmen nur wichtig ist, die Fahrkilometer abzuspulen und Fahrgäste nur lästig und teuer sind, solange ein fahrscheinfreier Nahverkehr mit der Begründung abgelehnt wird, dass das nicht ginge, weil ja dann viel mehr Menschen Bus und Bahn fahren würden, solange ist klar, dass die Politik ihre sozialen, klimapolitischen, gesundheitspolitischen und verkehrspolitischen Ziele noch nicht in die Praxis übertragen konnte. Das aber muss passieren.