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ADAC: Volkes Stimme ohne Legitimation – Dobrindt muss Verkehrspolitik überdenken.

ADAC: Volkes Stimme ohne Legitimation – Dobrindt muss Verkehrspolitik überdenken.

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20. Januar 2014
Allgemein, Blogbeitrag von Oliver Bayer
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Der ADAC mogelt, weil ihm die Legitimation durch seine Mitglieder abhanden kommt. Schlecht für die autoorientierte deutsche Verkehrspolitik, die bisher die Stimme der „18 Millionen Autofahrer beim ADAC“ niemals anzweifelte. Dobrindt rät dem ADAC zu mehr Bescheidenheit, meint aber nur die ADAC-Kritik an der PKW-Maut, dabei müsste er ganz andere Schlüsse ziehen:

Einmal Überschlagsimulation für den ADAC bitte ADAC auf dem NRW-Tag in Wuppertal-Sonnborn; Foto: Frank Vincentz

Einmal Überschlagsimulation für den ADAC bitte;
ADAC auf dem NRW-Tag in Wuppertal-Sonnborn; Foto: Frank Vincentz [GFDL]

Jede Stimme zählt, das sieht man heute beim Essener Bürgerentscheid gegen neue Messehallen und das gilt auch für Publikumspreise. Dort gibt es zwar kein festes Quorum, aber die Legitimation für die große wirtschaftliche und bisweilen politische Bedeutung von Preisverleihungen ist oft so dünn, dass hohe Teilnehmerzahlen als Beleg faktisch obligatorisch sind.

An die Messe Essen und eine dort stattfindende alljährliche Preisverleihung musste ich auch denken, als ich von den Mogeleien des ADAC hörte. Dort gab es im Jahr 2000 einen Skandal um den „Deutschen Spiele Preis„: Die ausrichtende Fachzeitschrift Pöppel-Revue hatte die Teilnehmerzahlen regelmäßig mit einem Faktor (z.B. x12) multipliziert und so deutlich nach oben korrigiert. Kurze Zeit nach dem Skandal wurde die Zeitschrift eingestellt. Die jetzigen Manipulationen des ADAC sind etwas willkürlicher, aber ähnlich. Dennoch gehe ich nicht davon aus, dass der ADAC nun eingestellt wird, …doch wir müssen daraus lernen. Ganz so banal ist der Vorwurf nämlich nicht.

Beide Preisverleihungen generieren Medienresonanz und haben Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Konsumenten. Nun ist die Autobranche für Deutschland etwas bedeutender als die Brettspielbranche und ein „Gelber Engel“ nicht nur ein Branchentreff, sondern auch eine Lobby-Veranstaltung.

"Gelber Engel" ADAC auf dem NRW-Tag in Wuppertal-Sonnborn; Foto: Frank Vincentz [GFDL]

„Gelber Engel“;
ADAC auf dem NRW-Tag in Wuppertal-Sonnborn; Foto: Frank Vincentz [GFDL]

Der „Gelbe Engel“ ist darüber hinaus eine Machtdemonstration des ADAC. Immer wieder weist der ADAC darauf hin, dass er die Interessen von über 18 Millionen Autofahrern vertreten würde. Beim ADAC-Check des WDR beispielsweise sagte ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair: „Wir sprechen nicht für uns, wir sprechen für unsere Mitglieder – daraus beziehen wir unsere Legitimation“. Diese Legitimation ist jetzt im Arsch.

Wenn eine Interessensvertretung ihr politisches Gewicht auf der Legitimation von 18 Millionen Mitgliedern aufbaut, dann wäre es natürlich peinlich, wenn davon sogar an einem attraktiven Publikumspreis nur 0,16% (geschätzt nach SZ-Zahlen) teilnähmen. Wie wichtig der Rückhalt der Mitglieder für die politische Abteilung des ADAC ist, zeigt der Täuschungsversuch.

Bisher konnte kein regierender Verkehrspolitiker am ADAC vorbei Verkehrspolitik machen. Beim NRW-Verkehrskongress der IHK der Industrie- und Handelskammern in Düsseldorf am 29. Mai 2013 wurde Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, sogar sehr deutlich: Noch nie hätte ein Bundesverkehrsministerium Politik gegen den ADAC gemacht, versicherte er auf dem Podium ADAC-Präsident Peter Meyer. Dieser hatte auf der gleichen Veranstaltung die PKW-Maut abgelehnt und zur Überraschung der Teilnehmer eine Anhebung der Mineralölsteuer vorgeschlagen.

„Niemals Politik gegen den ADAC.“ Das geht gar nicht.
Oder – bei CDUlern – nur dann, wenn sie beim ADAC unzweifelhaft von einer „Stimme des Volkes“ ausgehen dürfen. Interessensvertretungen sind Interessensvertretungen und vertreten Interessen, die immer mit anderen Interessen abgewogen werden müssen. Auch ein CCC oder LobbyControl erhalten bei mir keinen Freibrief für die Durchsetzung politische Positionen. Hoffentlich ist diese „simple“ Manipulation des ADAC nun der Auftakt dafür, dass der ADAC auch keinen Freibrief mehr bei CDU, SPD und FDP erhält. Die Debatte um die Legitimation des ADAC bzgl. seiner politischen Forderungen existiert ja schon länger.

Wie reagiert Bundesverkehrsminister Dobrindt?
Er sagte laut WDR und Presse, dass „die Vorgänge zeigen, dass großen Verbänden manchmal mehr Bescheidenheit im Auftreten gut täte“. Das klingt gut, schiebt den schwarzen Peter aber zu sehr in Richtung der Verbände, denn ohne die Zugänglichkeit der Politiker wäre ihr Auftritt sicherlich deutlich bescheidener. Die entsprechenden Politiker wollten es sich doch einfach machen, laden den ADAC ein, sobald es um Verkehrspolitik aller Art geht – ohne die Rolle des ADAC zu reflektieren.

Außerdem verknüpft Bundesverkehrsminister Dobrindt seine Aussage mit der Kritik des ADAC an der PKW-Maut: „Ich habe heute sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass auch die Mehrheit der ADAC-Mitglieder für die Einführung einer PKW-Maut in Deutschland ist„. Die Medien kommentieren das entsprechend. Doch was der ADAC verloren hat, ist Legitimation und Glaubwürdigkeit hinsichtlich seiner Rolle als „Volkes Stimme“. Was der politischen Abteilung des ADAC geblieben ist, ist Fachkompetenz. Selbstverständlich wird diese Fachkompetenz interessensgelenkt verwendet, doch wenn der ADAC feststellt, dass eine PKW-Maut für Ausländer (angeblich keine Belastung für deutsche Autofahrer) „völliger Quatsch“ ist und eine Anhebung der Mineralölsteuer (eine Zusatzbelastung für deutsche Autofahrer) durchaus sinnvoll – was man vom ADAC so nicht erwartet hätte, dann tut der ADAC das, was Interessensvertretungen tun sollten: Er begleitet einen politischen Prozess kritisch. Dies stelle ich zunächst ungeachtet der Frage fest, ob der ADAC überhaupt eine Interessensvertretung sein sollte und wer diese lenkt.

Minister Dobrindt kritisiert damit das ihm nicht genehme und zieht zur Legitimation seiner Kritik was heran? Die 18 Millionen Mitglieder des ADAC. *Facepalm*
Minister Dobrindt stellt die Rolle des ADAC und seinen Einfluss also gar nicht in Frage, sondern streitet sich auf Augenhöhe. Als sei es für die Einführung der PKW-Maut entscheidend, dass der ADAC seine Position zur PKW-Maut überdenkt und ändert.

Richtig wäre gewesen, die Meinung des ADAC als eine von vielen zu werten und die Politik des Ministeriums in Zukunft insgesamt weniger an der Lobby des ADAC auszurichten. Möglicherweise stellt sich dann heraus, dass die strenge ADAC-Politik der Vergangenheit zu sehr auf das klassische Auto gesetzt und uns in eine Sackgasse geführt hat. Mobilität ändert sich. Die Verkehrspolitik muss sich ändern. Das hat sogar der ADAC begriffen und sich im Hintergrund zaghaft an neue Verkehrsthemen herangewagt. Doch der ADAC wollte auch seine heutige Stellung sichern. Hierbei gab es nun einen offensichtlichen Fehler. Hoffentlich weckt das auch Minister Dobrindt noch auf.