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Schöne Worte ohne Geld: Die Landesregierung fordert mehr als sie ausgeben will.

Schöne Worte ohne Geld: Die Landesregierung fordert mehr als sie ausgeben will.

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12. November 2012
Allgemein, Blogbeitrag von Oliver Bayer
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Haushaltskürzungen sind kein Wert an sich. Wenn das Land weniger Geld bereitstellt und damit zunächst auch weniger Schulden aufnimmt, mag das gut klingen; Wenn dadurch an anderer Stelle oder zukünftig allerdings höhere Kosten entstehen, dann ist die „Haushaltssanierung“ Augenwischerei.

Mit dem Argument der „Haushaltssanierung“ als höchstes Gut der Landespolitik gelingt es der Landesregierung zahlreiche Forderungen zu stellen, ohne sie umsetzen zu müssen. In den meisten Fällen wird die Verantwortung auf den Bund geschoben, in anderen auf die lange Bank.

Für die rot-grüne Landesregierung gilt: Wir fordern. Andere müssten eigentlich bezahlen.

Das führt zu dem Kuriosum, dass im Koalitionsvertrag und in den Regierungserklärungen Pläne aufgestellt werden, die mit dem Haushaltsplan völlig unvereinbar sind. Die Milliarde für die WestLB ist zwar vorhanden, Gelder für Investitionen jedoch werden gekürzt.

Die Piratenfraktion hat zum Haushalt 2012 einige Änderungsanträge eingebracht, um andere Finanztöpfe oder die Finanztöpfe der Zukunft zu entlasten. Vielfach geht es um dringende Investitionen, die aufgeschoben deutlich teurer kämen.

Viel Kritik anderer Fraktionen brachte den Piraten der Vorschlag ein, den Verbundsatz von 23% auf 24% (ehemals lag er bei 28,5%) zu erhöhen. Tatsächlich schlägt die Maßnahme mit 369 Millionen Euro zu Buche. Doch das Geld ist nicht weg. Es entlastet die strukturell unterfinanzierten Kommunen, die sich das gleiche Geld zu viel höheren Zinsen leihen müssten, als es das Land tun kann. Insgesamt geben die Menschen in NRW also mehr Geld aus, wenn der Verbundsatz nicht erhöht wird. Die 24% sehen nur für die Landesregierung schlechter aus – sie könnte damit nicht auf ihre tolle „Haushaltssanierung“ verweisen.

Unsere weiteren Vorschläge enthalten geringere Beträge und sollen u.a. auch den Ministern der Landesregierung helfen, ihre selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Zu oft zieht sich die Landesregierung vor der eigenen Verantwortung zurück und gibt allein der Bundesregierung die Schuld.

Ein Beispiel dafür ist das Programm „Soziale Stadt“, welches vom Bund und den Ländern getragen wird. In der Praxis leitet das Land die Gelder des Bundes weiter. Der Bund hat nun die Mittel stark gekürzt.

Die bisherigen Projekte waren allerdings im Schnitt sehr erfolgreich. Zudem sind die Investitionen in solche Städtebauprojekte kein verlorenes Geld. Je nach Berechnung löst ein Euro an Städtebaufördermitteln bis zu acht weiteren Euro an Investitionen aus.

Minister Groschek sieht das Programm „Soziale Stadt“ als Kernelement seiner vorsorgenden Politik bezüglich des demografischen Wandels und urbaner Lebensqualität. Er bezeichnet die Kürzung des Programms durch den Bund als „unverantwortlich“ und „gesellschaftspolitische Erbsünde“.

Doch die Landesregierung tut nichts, um die große finanzielle Lücke, die der Bund gerissen hat, auszugleichen. Sie beschränkt sich auf Kritik am Bund und hebt unschuldig die Arme: „Sorry, wir konnten unsere eigenen Forderungen leider nicht umsetzen“.

Wir möchten den Minister und die Landesregierung in ihrer Arbeit unterstützen, indem wir die Aufstockung der Mittel um 2,7 Millionen Euro durch Landesmittel auf zumindest das Niveau von 2010 beantragten.

Das gleiche Prinzip gilt auch für den „Stadtumbau West“. Auch hier zeigt sich die für die rot-grüne Regierung typische Kombination aus guten Absichten und fehlender Entschlossenheit. Auch hier haben wir beantragt, das Budget wieder auf den Stand von 2010 aufzustocken.

Das Land muss selbst Verantwortung übernehmen, wenn es sich nicht auf den Bund verlassen kann.

Zu teuer? Nein, denn die finanziellen Effekte sind höher als die Ausgaben – im sozialen Bereich, in der Wirtschaft, bei der Stadtentwicklung.

Nachsorge ist teurer als Vorsorge: Es ist beispielsweise zu erwarten, dass die Empfehlungen der „Enquete-Kommission Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finanzinvestoren“ nicht billig werden. Vermutlich müssen wir für frühere „Haushaltseinsparungen“ tief in die Tasche greifen, womöglich versilbertes Tafelsilber teuer zurückkaufen.

Um die verschieden problematischen Wohnungssituationen in NRW zu verbessern, setzt die Landesregierung auf sozialen Wohnungsbau, hat hierzu die Prioritäten von der Eigenheimförderung hin zu studentischem und sozialem Mietwohnungsbau verschoben. Auch das klingt gut, doch auch hier vergisst die Landesregierung selbst Verantwortung zu übernehmen.

Pauschale Fördermittel alleine reichen nicht: Die Regierung möchte Prioritäten in angespannten Wohnungsmärkten setzen. Allerdings muss das Land dabei auch selbst Vorbild sein und bei seinen eigenen Liegenschaften vernünftige Quoten für sozialen Wohnungsbau fordern, wenn das möglich ist – und nicht 5% wie bei der Ulmer Höh‘ in Düsseldorf. Da liegen Anspruch und Wirklichkeit der Landesregierung auseinander. Die scharfe Kritik des Ministers an der Wohnungspolitik der Stadt Düsseldorf bleibt unglaubwürdig, wenn bei eigenen Liegenschaften andere Maßstäbe gelten.

Wir Piraten erwarten von der Landesregierung die Umsetzung der im rot-grünen Koalitionsvertrag festgeschriebenen wohnungs- und sozialpolitischen Ziele. Die Ziele sind schöne Absichtserklärungen, die sich jedoch nicht immer in den Handlungen der Regierung zeigen – vor allem nicht im Haushalt 2012.

In Bezug auf die eigene Unterlassung versteckt sich die Regierung hinter den Fehlern der Bundespolitik.

Das betrifft auch die Verkehrspolitik:

Der Bestand des Verkehrsnetzes ist gefährdet. Zu lange galt „Neubau vor Instandhaltung“. Zu viele Brücken und Tunnel in NRW sind sanierungsbedürftig und müssen jetzt instand gesetzt werden.

Die Haushaltsmittel reichen weder für Straße noch Schiene aus,  um den Bestand langfristig zu erhalten.

Wir können uns ein „weiter so“ nicht mehr leisten  – aus rein ökonomischen Gründen.

Dazu kommt,  dass auch indirekte Kosten in die Priorisierung bei der Verkehrsplanung einfließen müssen: dabei müssen nicht nur Kosten für Klimaschutz und Umweltschäden sowie die sozialen Kosten berücksichtigt werden. Eine verantwortungsvolle Verkehrspolitik beugt Ausgaben an anderer Stelle vor.

Und langfristig muss man auch die individuellen Aufwendungen für Mobilität, also eigene Autos gesamtgesellschaftlich als Opportunitätskosten einbeziehen. Weniger Verkehrsflächen, weniger Lärm, mehr Raum für Stadtleben. All dies muss in eine Gesamtrechnung einfließen.

Die Probleme des Verkehrssystems in NRW sind groß – wir brauchen neue Lösungen. Wir müssen den ohnehin bevorstehenden Verkehrswandel als Chance auffassen eine Verkehrswende zu gestalten!

Im Ansatz haben Rot-Grün die Idee verstanden. Zaghaft hat Verkehrsminister Groschek in seiner „Kleinen Regierungserklärung“ in die richtige Richtung gewiesen. Allerdings bleibt der Ansatz konservativ und mutlos.

Die Landesregierung begnügt sich auch hier wieder damit, Verantwortung an den Bund abzugeben anstatt selber tätig zu werden. Hier müssen wir die Regierung motivieren!

Ja, ein Großteil des Geldes, das zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in NRW notwendig ist, kommt vom Bund und  NRW wird dort weit unterdurchschnittlich berücksichtigt. Alle Fraktionen sind sich einig, dass der Verkehrshaushalt dauerhaft viel zu klein ist, die Landesregierung will mit dem Verkehrshaushalt jedoch zur „Haushaltssanierung“ beitragen.

Bei den PIRATEN steht die konstruktiv gestaltete Verkehrswende ganz oben auf der Agenda.

Dass grundsätzlich genug Geld vorhanden ist, zeigen nicht nur  Prestigeprojekte wie der Flughafen Berlin oder Bahnhof Stuttgart, .. oder die 1,6 Milliarden Euro, die für den Ankauf von EADS-Anteilen freigegeben wurden.

Nicht vergessen: die 5 Milliarden Euro für die Abwrackprämie 2009. Diese 5 Milliarden haben NICHTS bewirkt. Sie haben weder bei Verkehrsproblemen noch den Autobauern geholfen: OPEL steht in NRW weiterhin vor dem Ende und FORD in Köln wird wohl nur überleben, weil das Werk in Genk (Belgien) geschlossen wird!

Hat nichts mit dem NRW-Haushalt zu tun? Weil es da um wichtigere Dinge ging? Wichtiger als eine funktionierende Infrastruktur? Sicher nicht.

Wenn im Bund 5 Milliarden Euro als Geschenk für die Automobilindustrie möglich sind, dann muss weit weniger Geld für die Begleitung der Verkehrswende ebenfalls möglich sein. Ab 2013 hoffentlich wenigstens die 750 Millionen Mobilitätsbetreuungsgeld.

Übrigens: Ein Blick in die Schweiz genügt, um zu sehen, wie sich Investitionen in Bereich des ÖPV und des Güterschienenverkehrs rentieren.

Die Landesregierung weiß das, schiebt jedoch wiederum alle Verantwortung von sich. Im Haushalt wird für den Posten „Förderung der Eisenbahnen und des öffentlichen Nahverkehrs“ beinahe ausschließlich Geld des Bundes weitergeleitet. Allein für den Ausbildungsverkehr und das Sozialticket fließen Landesgelder.

Das Sozialticket jedoch ist ein erschreckendes Beispiel für die Mutlosigkeit der Regierung. Es ist doppelt so teuer wie der in den SGR-II-Regelsätzen verankerte Betrag für Mobilität  und verfehlt das Ziel „Mobilität für alle“. Auch Minister Groschek hat befunden, dass das Grundrecht auf Mobilität für alle damit noch nicht umgesetzt wurde! Er verwies aber auf die zu geringen Regelsätze – der Bund müsse sich darum kümmern.

Der Haushalt 2012 behandelt ein Haushaltsjahr, welches bei der Verabschiedung fast vorüber sein wird. Dennoch können wir noch etwas tun, um Hürden für die Zukunft abzubauen .. und voran zu kommen.

Die Piratenfraktion möchte die Investitionsförderung für den ÖPNV aus Bundesfinanzhilfen nach dem Entflechtungsgesetz mit Landesmitteln aufstocken. Hier sind Kürzungen in Höhe von mindestens 17 Mio. Euro im Vergleich zu 2010 vorgesehen.

Das Geld wird dringend benötigt, um Investitionen in die Infrastruktur des ÖPNV zu decken. Der Bedarf durch zunehmend notwendigere Erhaltungsinvestitionen steigt. (sanierungsbedürftige Brücken, Tunnel, Trassen). Eigentlich soll zudem die Attraktivität des ÖPNV verbessert werden. Kommunen können kaum zusätzliches Geld aufbringen.

Wir schlagen daher eine Aufstockung der Mittel um 64 Millionen Euro vor, damit noch 2012 die Sanierungsarbeiten und Investitionen in den ÖPNV angegangen werden können!

Weiterhin möchten wir das Budget für ÖPNV-Gutachten erhöhen. Es  muss sichergestellt sein, dass die angegangenen Maßnahmen wie beabsichtigt Wirkung zeigen. Dazu benötigen wir eine entsprechende Datenlage, Modelle, Simulationen und Machbarkeitsstudien – als Grundlage für innovative Konzepte wie den fahrscheinfreien Nahverkehr.

Der Haushaltsposten leitet Regionalisierungsmittel aus dem Bundeshaushalt für ÖPNV-Gutachten weiter. Der zusätzliche Bedarf (350.000,00 Euro) müsste aus Landesmitteln gedeckt werden.

Die zusätzlichen Mittel sollen zur Erstellung eines unabhängigen Gutachtens zur Gesamtkostenanalyse des öffentlichen Personennahverkehrs in NRW genutzt werden. – Einschließlich aller Kommunalhaushalte, Subventionen und Beteiligungen sämtlicher beteiligter und beitragender Unternehmen – inkl. Stadtwerke.

In einem zweiten Schritt sollen darauf aufbauend Modelle, Simulationen und Machbarkeitsstudien zur Realisierung einer vollständigen Finanzierung des Personennahverkehrs zur entgeltfreien Bereitstellung für die Bürger erstellt werden. Das heißt, wir möchten – je nach Datenlage – Studien zur Evaluierung der Möglichkeiten des fahrscheinlosen ÖPNV und ähnlicher Projekte fördern.

Selbstverständlich müssen auch die Daten wie Kosten und Fahrgastzahlen sowie erste Studien frei verfügbar gemacht werden. Damit werden die Kreativität und das Engagement der Menschen in NRW geweckt. Womöglich entdecken wir neue Lösungswege für unsere Verkehrsprobleme.

Zur Verwirklichung eines wirklich klimaschonenden, sozial ausgewogenen und die Lebensqualität steigernden Verkehrssystems in NRW müssen wir auch über neue Finanzierungsstrukturen nachdenken und den Kommunen die Freiheit ermöglichen innovative Konzepte umzusetzen.

Ich bin mir sicher, dass letzteres ein großes Thema in 2013 und 2014 sein wird. Zusätzliche Einnahmequellen der Kommunen dürfen aber nicht dazu führen, dass sich die Landesregierung noch weiter von ihrer finanziellen Verantwortung zurückzieht.

Die Landesregierung muss gewillt sein, Pläne und Forderungen, die sie selbst aufstellt, auch selbst zu bezahlen. Ja, natürlich ist es nicht das Geld der Landesregierung, das hier ausgegeben wird. Es ist das Geld der hier lebenden Menschen.

Genau das ist der Knackpunkt: Es ist immer das Geld der Menschen, egal ob es aus dem EU-, Bundes-, Landes oder Kommunalhaushalt kommt, ob eine entsprechende Abgabe direkt gezahlt wird oder indirekte Kosten entstehen.

Es wird Zeit, an der generellen Misere sämtlicher Finanzpolitik etwas zu ändern: Es muss weiter gedacht werden als bis an die Ränder isolierter Finanztöpfe und kurzer Legislaturperioden.

..und einer muss damit anfangen.


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