„Neues“ Radio in NRW: Lobbyisten-Rauschen
Am 23. Januar 2015 wird die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) entscheiden, welches „neue“ Radio in NRW zusätzlich auf UKW senden darf – oder die Entscheidung vertagen. Für letzteres sind die Lokalradios in NRW und sie haben mir – und anderen Abgeordneten – einen Brief geschickt: „Existenz des Lokalfunks durch Frequenzvergabe gefährdet!“ steht dick obendrüber. Die Lokalradios in NRW wollten die neuen UKW-Frequenzen gerne selber sichern und haben sich dafür die landesweite Jugendwelle „deinfm“ erdacht. Sie waren sich des Sieges sicher. Jetzt steht „Metropol FM“ in der Beschlussvorlage. Der Brief an mich enthält einige Bedrohungsszenarien für den Fall, dass „deinfm“ nicht zum Zuge kommt. Die Lokalradios würden Pleite gehen und verschwinden und dann würde die Dunkelheit über NRW hereinbrechen. Erzeugt durch die Mitbewerber „Metropol FM“ und „domradio“.
Ich soll die Ängste der Lobbyisten ernst nehmen. Deshalb endet der Brief der Lokalfunk-Lobbyisten mit drei Punkten: Die Entscheidung sei supersuperwichtig für NRW, deshalb sei es wichtig, dass die Medienkommission der LfM die Entscheidung „mit der notwendigen Zeit und Sorgfalt trifft“ und dass „diese Entscheidung nur zu Gunsten von „deinfm“ fallen kann.“
Selten sind Lobbyisten in ihrer Post an Abgeordnete so dreist und direkt – und selten so unnachvollziehbar. Unabhängigkeit, Staatsferne und das Wirken für einen unabhängigen Rundfunk sind die angestrebte Basis für die LfM. Es wäre schon ein schlechtes Zeichen für einen unabhängigen Rundfunk in NRW, wenn die Medienkommission der LfM mit einer Entscheidung für „deinfm“ die Monopolstrukturen in NRW festigen würde. Aber wenn jetzt – nach den Briefen an Politiker und ggf. einer Vertagung – die Um-Entscheidung für „deinfm“ fällt, dann hat das mehr als nur ein Geschmäckle.
Derzeit gibt es in NRW via UKW nicht viel zu empfangen. Es gibt den WDR mit seinen Hörfunkprogrammen, Deutschlandradio und 45 Lokalradios, die alle ihr Mantelprogramm von Radio NRW erhalten. Bei Radio NRW sind wiederum mit 24,9 % der WDR, RTL (16,1%), der Axel Springer Verlag und 37 Verlagsgesellschaften aus NRW beteiligt. In den meisten Fällen sind die Lokalradios die Radios der Lokalzeitungen. Dadurch, dass 45 Lokalradios mit UKW-Frequenzen bedient werden müssen, stehen in NRW bislang keine landesweiten Frequenzketten für kommerzielle Radioanbieter zur Verfügung. Die schwachen aber zahlreichen Sender der Lokalradios blockieren dies. Dazu kommen insgesamt 6 WDR-Wellen. Es gibt keinen Platz für Wettbewerb und Vielfalt im Radio in NRW. Anderes kann behaupten wer will. Wer jemals in einem anderen Bundesland Radio gehört hat, kann sich selber eine Meinung bilden. Es dürfte nirgendwo sonst eine Region in Europa geben, in der kommerzieller Hörfunk nur unter Beteiligung von etablierten Zeitungsverlegern möglich ist.
Spannend wurde es mit dem Abzug der Britischen Streitkräfte. Ihr Radio BFBS gab ein paar Frequenzen frei und nach der Umsortierung zwischen BFBS, WDR und Deutschlandradio blieben UKW-Frequenzen übrig. Diese neue Frequenzkette ist nicht einmal besonders attraktiv, denn sie deckt nur einen Teil NRWs lückenhaft ab. Doch wer auch immer diese Frequenzkette zugeteilt bekommt, kann auf weitere Frequenzen hoffen – sagen wir mal, wenn z.B. ein Lokalsender Pleite geht.
Nach einer Ausschreibung bewarben sich 13 Radiounternehmen, wobei FFH mit seinem Angebot „planet radio NRW“ die Frist versäumte – nie „Einschreiben“ schicken, sage ich nur. Mit dabei waren „deinfm“, „domradio“, „Metropol FM“ und ein paar echte Konkurrenten für den WDR und die Lokalradios in NRW.
Das Angebot der Lokalradios „deinfm“ soll – und das steht auch noch einmal deutlich in dem Brief an mich – die Wirtschaftlichkeit der Lokalradios erhöhen. Mit „deinfm“ zusammen würden die Lokalradios den Werbemarkt besser bedienen können, denn „deinfm“ ist ein (kostengünstiges) Jugendradio mit einer perfekt zugeschnittenen, spezifischen Zielgruppe. Das heben Fritz-Joachim Kock, Vorsitzender des Verbands Lokaler Rundfunk in Nordrhein-Westfalen e.V. (VLR) und Dr. Benedikt Hüffer, Vorsitzender des Verbands der Betriebsgesellschaften in Nordrhein-Westfalen e.V. (BGNRW) – die den Brief unterzeichnet haben – deutlich hervor.
An anderer Stelle kritisieren sie, eine spezifische Zielgruppe stände für den Ausschluss von Bevölkerungsteilen und nicht für Vielfalt. Sie meinen dann aber nicht Menschen, die keine Jugendwelle hören möchten, sondern die Sender „Metropol FM“ (sendet ja fast nur türkisch) und „domradio“ (sendet ja nur christlich). „Metropol FM“ steht auf der Beschlussvorlage der Medienkommission – daher soll die Entscheidung nach Meinung der Lokalradios erst einmal vertagt werden. „domradio“ würde bei einer Entscheidung gegen „Metropol FM“ mit „deinfm“ um Stimmen kämpfen. Projekte von „Radio ENERGY NRW“ bis „radio ffnrw“ haben anscheinend sowieso keine Chance.
Nun wären auch „Metropol FM“ und das werbefreie „domradio“ keine „echten“ Konkurrenten für den WDR und die Lokalradios. Eine Markbelebung sähe anders aus und man könnte fast vermuten, dadurch solle der Status Quo in NRW zementiert werden. Aber wieso titeln dann die beteiligten Tageszeitungen Horrorszenarien [1,2,3]; warum erhalten Politiker Warnbriefe? Macht man sich etwa sorgen, dass die Entscheidung doch ganz anders ausfällt und möchte im Gegenteil die LfM mit dem Schwert des Geschmäckles dazu drängen, sich bitte ganz schnell für „Metropol FM“ zu entscheiden?
Fazit ist jedenfalls, dass die kleinen, schwachen Frequenzen tatsächlich das Potential hätten, die Radiolandschaft in NRW zu verändern – und das obwohl doch UKW eigentlich längst durch DAB+ ersetzt werden sollte. Dort allerdings passiert ja leider auch nicht viel. Erwarten dürfen wir von der Entscheidung nicht viel. WDR und Lokalradios brauchen sich dem Wettbewerb nicht zu stellen. Entweder wird die monopolistische Radiostruktur gestärkt („deinfm“) oder sie wird zumindest nicht wirklich aufgeweicht („Metropol FM“). Immerhin böte „Metropol FM“ Deutschtürken tatsächlich ein sehr attraktives Angebot und übernimmt seine journalistische Verantwortung andernorts bisher sehr vorbildlich – die politischen Erwartungen in „Metropol FM“ für das Ruhrgebiet sind unübersehbar. Ich halte auch die Zukunftsaussichten bei „Metropol FM“ für deutlich besser als bei einer neuen UKW-Jugendwelle im Internetzeitalter.
Meine öffentliche Antwort auf den Brief: Die Medienkommission soll eine möglichst unabhängige Entscheidung treffen. Aber ich danke für den Anlass zu diesem Blogpost.
3 Antworten
Thomas Tepe
26. Januar 2015, 22:25:27
Letztendlich ist es doch METROPOL FM geworden. Der Hörerschwund dürfte im Promillebereich liegen, die Werbeeinnahmen von WDR und radioNRW sind gesichert. Hier noch ein paar technische Details: http://thomastepe.wordpress.com/2015/01/23/nrw-lfm-vergibt-ukw-kette-an-metropol-fm/ Sendestart ist wohl nicht vor 2016.
Mike
19. Januar 2015, 09:56:45
Schade, dass Sie sich nur halbherzig mit dem Problem „UKW-Frequenzvergabe“ befasst haben und die besondere Situation des WDR in NRW außer acht gelassen haben.
Der WDR fährt seit geraumer Zeit eine Flottenstrategie. Mit der Optimierung von 1Live, WDR2 und WDR4 wurde ein Werbemarkt geschaffen, der mehr als 1,5 Mio. Hörer erreicht. Alle drei Wellen verkaufen Werbung. Der NRW-Lokalfunk schafft landesweit nur 900.000 Hörer zu erreichen. Es ist kein Geheimnis, das a) Agenturen inzwischen vornehmlich für landesweite/nationale Werbung beim WDR buchen und b) der WDR gerne großzügige Rabatte den Kunden einräumt. Mein Tipp: Vergleichen Sie zwischen 6 – 10 Uhr (relevante Radiozeit)die landesweiten Werbeblöcke des WDR mit den Ihres Lokalradios. Sie werden feststellen, dass der WDR, egal welcher Sender, mehr Werbung verkauft hat.
Da fragt man sich, wieso braucht der WDR überhaupt dieses Geld? Reicht der Rundfunkbeitrag nicht mehr? Wieso werden die Werberpreise gedrückt? Und vor allem: Warum befasst sich die Politik mit diesem Thema nicht? Ist ein privater, erfolgreicher Rundfunk in NRW in Wahrheit gar nicht gewünscht? Der öffentlich rechtliche Rundfunk drückt, zerstört regelrecht den Werbemarkt und alle schauen zu.
Sie sprechen die Beispiele außerhalb von NRW an. Schauen wir nur nach Baden-Württemberg: Dort gibt es in der Jugendwelle des SWR keinerlei Werbung. Schauen wir nach Hessen, so stellen wir fest, dass FFH (mit Planet, harmonyfm) ebenfalls die Möglichkeit erhalten hat, eine Flottenstrategie zu entwickeln und umzusetzen.
In NRW scheint man sich dagegen lieber gegen den privaten Hörfunk zu setzen und bevorzugt stattdessen auch noch Kandidaten, die dem WDR (und seinen Werbeeinahmen) in keinster Weise gefährlich werden können.
Ein Trauerspiel!
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