Piraten diskutieren zur „Steuer-CD“
Einige Piraten und Menschen sowie Schnittmengen derselben forderten Stellungnahmen der „anderen Abgeordneten“ zur Stellungnahme von Robert bzgl. der „Steuer-CD“. Das ist gar nicht so einfach. Weder bin ich so richtig im Thema, noch war es mir spontan möglich, die Diskussion zu überblicken. Ich habe nun in einer ruhigen Nacht zunächst einige Stunden damit verbracht, die Diskussion aufzuarbeiten.
Ergebnisse:
- Übersicht über die „Steuer-CD“-Diskussion als PDF
- Übersicht über die „Steuer-CD“-Diskussion als Bild
Die Diskussion ist viergeteilt.
- Den meisten Piraten geht es um die Frage, was ein Abgeordneter der Piratenfraktion überhaupt darf.
- Die inhaltliche Diskussion hat ebenfalls deutlich unterschiedliche Facetten. Einigen geht es nur um die Frage des Ankaufs an sich, die meisten jedoch verbinden damit ein Statement zur Steuerhinterziehung und zu Auslandskonten generell. Letztlich geht es auch um das Abkommen mit der Schweiz.
- Nebenbei entsteht die Frage, was „piratige Politik“ ist. Da gibt es verschiedene Auffassungen, als Frage formuliert wird sie selten.
- Viele bemängeln Stil und Ton der Pressemitteilung.
Ich habe versucht alle Argumente und Anmerkungen zusammenzufassen.
Sicherlich ist die Übersicht des PDFs nicht vollständig und persönlich gefärbt ist sie auch, doch wer hier weiterdiskutieren will, kann gerne einen der vier Stränge entnehmen und erweitern.
Inhaltlich thematisch habe ich jetzt nicht besonders tief recherchiert. Neben aktuellen Presseberichten empfehle ich einen Blick in den Artikel von Pavel Mayer aus dem Jahr 2010. Die Aussage „ES GIBT KEINE SCHMERZFREIE LÖSUNG“ trifft es sehr gut. Mit gleichen Argumenten komme ich jedoch zu einem gegenteiligen Fazit. Auch Sachpolitik muss nicht immer eindeutige Ergebnisse liefern.
Dass die Partei sich bereits lange mit dem Thema beschäftigt, zeigen auch eine Pressemitteilung der Bundespartei vom 5. Februar 2010 (UPDATE: Erhalten im via web.archive.org) und eine Pressemitteilung des LV Saarland vom 4. Februar 2010. Die AG Öffentlichkeitsarbeit NRW dagegen war seit dem 7.8.2012 dabei, eine Position via LQFB zu evaluieren.
Nun zu meiner Meinung…
…erst einmal zur Pressemitteilung (UPDATE: damaliger Link nicht mehr erreichbar, hier Roberts Blog und die gleiche PM auf der neuen Website): Diese fand ich etwas unglücklich, weil die Wortwahl „Beschaffungskriminalität“ mich zu sehr an Drogen erinnerte (siehe Übersicht) und das Steuerabkommen unkritisch als Argument verwendet wird. Ersteres ist vielleicht lustig, zweiteres wirklich ärgerlich.
Aber!!! Ich fand es dennoch gut, dass Robert die PM so schnell publiziert hat und möchte das hier noch einmal lobend erwähnen.
Ein Abgeordneter muss handeln, wenn zu seinem Thema ein brandaktuelles Ereignis eintritt. Dass die Piraten hier schneller reagierten als „die FDP“ (taz), ist kein „Fail“, es ist ein vielleicht noch etwas ungewohntes Muss, um unsere Arbeit nach außen tragen zu können und sie der Welt zu zeigen. Transparenz muss auch den Weg über die klassischen Medien gehen und da zählt der Nachrichtenwert. Aktualität ist hier entscheidend. Ein etwas forscheres Auftreten förderlich, wenn auch eine Gratwanderung.
Derzeit kann ich mit Roberts Spontanität nicht aufwarten, aber trotz des Shitstorms werde ich mich nicht entmutigen lassen und seinem Vorbild hoffentlich folgen, sobald ein Thema vor mir liegt. Am liebsten natürlich ohne falsch verstanden zu werden und ohne die Meinung der Partei falsch einzuschätzen. Durch die ständige Zusammenarbeit mit den AKs und ein paar Zusatzaugen versuche ich dem frühzeitig vorzubeugen.
Inhaltlich
Mein Bauchgefühl sagte: CDs kaufen, Steuerhinterzieher aufdecken, Bundesregierung ärgern. Doch nach Sichtung der Argumente würde ich die CDs und vergleichbare USB-Sticks nicht kaufen.
Der Vergleich mit Netzsperren und Vorratsdatenspeicherung hinkt etwas, aber mit Kameras an öffentlichen Plätzen lässt sich vielleicht ein Vergleich ziehen: Verhindern Kameras Straftaten? Nein, sie schauen nur zu und die etwaigen Straftaten verlagern sich. Kauft der Staat „Steuer-CDs“ aus der Schweiz, verlagern sich die Straftaten vielleicht nach Singapur. Ja, im Gegensatz zu z.B. Körperverletzung (-> Kameras), lässt sich Steuerhinterziehung „heilen“, aber trifft das auch auf die Täter zu?
Update: Diesen Aspekt beleuchtet Textheld sehr schön in seinem Beitrag „Steuer CD Ankauf – Biste dagegen dann biste für Betrug“
Hehlerei, „subventionierte Kriminalität“, die eigenen Regeln brechen – das darf für einen Staat nicht der richtige Weg sein, anderes Unrecht aufzudecken. Ich bin mir sicher, dass es andere Wege geben kann. Wenn man beweisen könnte, dass der Erfolg nicht geringer ist, wenn man das Geld anderweitig in Polizeiarbeit stecken würde, würden mir vermutlich viele hier zustimmen. Ich kann es nicht beweisen.
Mich würde jedoch interessieren, aus welchem Topf der Ankauf der Steuer-CDs bezahlt wird und wo im Haushalt das Geld sonst eingeplant gewesen wäre? Wird bei dem Personal der Steuerfahndung oder Finanzamtmitarbeiter gespart?
Dann war da noch das Abkommen mit der Schweiz, welches der Ankauf torpedieren soll. Ich halte das Abkommen nach allen mir zur Verfügung stehenden Informationen für katastrophal und möchte es dringend verhindern. Doch benötigt man dafür diese Mischung aus Illegalität und Intrige? In einer Demokratie gibt es andere Wege gegen die Planungen des politischen Gegners zu arbeiten. Dass in einer Demokratie schlechte Ideen langfristig nicht durchkommen, dafür arbeite ich – mit parlamentarischen Mitteln, …und eben nicht hintenrum.
Zwei Kleinigkeiten sind mir in der Diskussion noch aufgefallen:
- Vermeintliche „Grauzonen“ sind ein Indikator dafür, dass Gesetze an der Wirklichkeit vorbei gehen und Handlungsbedarf zum Ändern besteht. Piraten sollten nicht mit Grauzonen argumentieren, sondern versuchen, sie zu beseitigen. So wie beim Urheberrecht.
- Der ständige Hinweis auf „Dies ist eine Privatmeinung, nicht die der Partei“ könnte sprachlich so etwas wie das „Binnen-I“ der Piraten werden. Ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung. ;-)
3 Antworten
unwichtig
13. August 2012, 00:01:23
…mmmhhh…
Der Grund aus dem Kameras nicht helfen ist doch, dass die große Mehrzahl der Straftaten im Affekt und/oder unüberlegt geschieht.
Bei der Verlagerung von Geld ins Ausland wird aber in jedem Flal zuvor eine Finanzrechnung und eine Risikoabschätzung durchgeführt.
Der Vergleich funktioniert so nicht.
Außerdem: Wieso illegal? Nach Schweizer Recht vielleicht, aber das gilt hier ja wohl kaum. Es gilt schließlich auch nicht das russische oder syrische Recht (zum Glück, obwohl wir Russland ja asl Demokratie anerkennen). Das Bundesverfassungsgericht sagt jedenfalls, dass die Nutzung der CDs erlaubt ist (ebenso wie das Kölner Verwaltungsgericht).
Danke für den Beitrag!
Oliver Bayer
13. August 2012, 00:06:13
Ich antworte mal mit einem Link:
http://www.textheld.de/2012/08/09/steuer-cd-ankauf-biste-dagegen-dann-biste-fr-betrug/
Den Artikel von Textheld habe ich eben gefunden und er gibt eine sehr schöne Antwort genau darauf.
egal
12. August 2012, 15:01:05
Statt einer PM solltet ihr öfter solche Beiträge hier schreiben und auf dem Block veröffentlichen. Dann gibt es auch nicht so viele Missverständnisse. Die Presse kann die Beiträge ja auch lesen und Zitate daraus verwenden.
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