2012-09-14_2
Endspurt vor dem doppelten Abiturjahrgang: Gute Beratung und zeitnahe Antragsbearbeitung in den BAföG-Ämtern sicherstellen
Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer am Stream und an den Videoplattformen! Die Zahl der Studierenden hat in den letzten Jahren bundesweit deutlich zugenommen. Wir Piraten begrüßen dies und wünschen allen viel Erfolg dabei.
Allein im Zeitraum zwischen 2008 und 2010 ist die Zahl der geförderten Studierenden bundesweit von 333.000 auf 386.000 und damit um 16 % gestiegen. Wir müssen in NRW zudem den einmaligen Andrang auf die Hochschulen durch die Verkürzung der Oberstufenzeit von drei auf zwei Jahre mitrechnen. Die Zahl der neuen Studierenden für das Wintersemester 2013/14 wird voraussichtlich um 20 % steigen. Das sieht die FDP in ihrem Antrag auch so. Im CDU-Antrag kommt aus Gütersloh die Zahl 130.000 statt 110.000.
Dies war abzusehen und ist eine Altlast aus der G8-Schulreform. Doch haben es die früheren Landesregierungen, und zwar alle, entgegen ihrer Ankündigungen versäumt, sich frühzeitig mit den langfristigen Folgen ihrer Schulpolitik zu beschäftigen. Das Ministerium hat sogar noch am 20. August in einer Antwort auf den offenen Brief der ASten geschrieben, dass bereits Vorsorge getroffen worden sei.
Wenn es mir gestattet ist, Herr Präsident, möchte ich jetzt gerne Alexander Klenk, den Vorsitzenden der Juso-Hochschulgruppe Köln, aus einer aktuellen Pressemitteilung zitieren.
„Es ist eine Unverschämtheit, Verlautbarungen abzugeben, dass sich um Probleme gekümmert wird, und dann passiert nichts. Wissenschaftsministerin Schulze weiß seit über sieben Monaten, dass sich die Lage bei den BAföG-Ämtern zuspitzt und verspricht Verbesserungen. Im Landeshaushalt ist davon nichts zu sehen.“
Es ist schade, dass das Ministerium mutmaßlich keinen Handlungsbedarf sah und sich nun auch von der eigenen Basis auffordern lassen muss. Wir haben hier zwei Probleme: ein grundlegendes und langfristiges Problem der Verteilungsgerechtigkeit und der Bürokratie in den BAföG-Systemen sowie ein kurzfristiges Problem mit der Personaldecke in den zuständigen Ämtern.
Jeder Student wird ermutigt, einen Antrag zu stellen. Dabei ist das BAföG eine in engen Grenzen gefasste konditionale Leistung, die nicht jeder Antragsteller erhält. Das Antragsverfahren an sich ist eine komplexe und umfassende bürokratische Hürde, die zudem die Mitwirkung von Dritten, den Eltern, erfordert. Diese mühevoll gestellten Anträge mitsamt Nachweisen müssen natürlich sorgfältig geprüft und bearbeitet werden – ein Vorgang, bei dem man gleich an zwei Stellen ansetzen kann:
Erstens kann man den bürokratischen Aufwand erheblich reduzieren, wenn man die damit verbundenen Einschränkungen und Bedingungen wegnimmt. Ich spreche hier vom Konzept des elternunabhängigen BAföGs, welches Sie laut Ihrem Koalitionsvertrag auch teilweise angehen wollen.
Zweitens kann man das Verfahren modernisieren und ein automatisiertes Verfahren über das Internet einführen. Hierzu gibt es Ansätze bei den bayerischen Studentenwerken mit einem Online-Antrag. Auch bei der elektronischen Steuerklärung kann man sich Ideen holen. Das Modellprojekt in Köln ist gut, aber es kommt leider nicht rechtzeitig. In Bayern funktioniert es bereits. Da muss man Bayern auch mal loben.
Die Studierenden beginnen mit dem Studium einen komplett neuen Lebensabschnitt, befinden sich in einem völlig neuen Umfeld und stehen unter enormem Druck. Sie müssen sich um Seminarplätze, Scheine und Anmeldungen kümmern und stehen vor der Frage, wie sie ihr Studium finanzieren sollen.
Unser Entschließungsantrag setzt das richtige Signal, die finanziellen Sorgen vieler Studierenden zu lindern, indem sie nicht mehrere Monate auf die Bearbeitung ihres BAföG-Antrags warten müssen. Nach Angaben der nordrhein-westfälischen Studentenwerke dauert die Bearbeitungszeit von Anträgen heute schon zwei bis sieben Monate.
In Ihrem Antrag – jetzt meine ich SPD und Grüne –, der den aktuellen Stand nicht abbildet, erwähnen Sie, dass es in Einzelfällen gelegentlich zu einer längeren Bearbeitungszeit kommen kann.
Dazu möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten noch einmal ein Zitat anfügen. Kai Uwe Joppich vom AStA der FH Dortmund hat hierzu gesagt:
„Es ist eine Frechheit, hier von Einzelfällen zu reden und ein Schlag ins Gesicht der Studierenden, die nach Bearbeitungszeiten von vier Monaten oder länger verzweifelt sind und nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen.“
Wenn man Studierenden BAföG anbietet, dann muss man auch dafür sorgen, dass es zu Beginn des Studiums verfügbar ist.
(Beifall von den PIRATEN)
Unterstützung braucht man entweder sofort oder gar nicht. Wenn die Bearbeitung eines BAföG-Antrags länger als ein Semester dauert, dann ist das BAföG damit im Grunde abgeschafft.
Ich bitte Sie daher, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, um das kurzfristige Problem zu lösen. Und ich fordere Sie auf, das langfristige Problem ebenfalls anzugehen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bayer.
Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/813
Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/872
Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/887
Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/904
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