Pages

Categories

Suche



Sehr geehrter Herr Dobrindt,

Sehr geehrter Herr Dobrindt,

by
15. Dezember 2013
Allgemein, Blogbeitrag von Oliver Bayer
No Comment

[ offener Brief – gesendet an Bundesminister Dobrindt ]

wenn Sie Ihr neues Amt als Internetminister ernst nehmen, so haben Sie sicherlich bereits am Samstag Stimmen aus der Netz vernommen, die Sie als „Katastrophe für die Netzpolitik“ oder ähnliches bezeichnet haben. Nicht nett und irgendwie unfair, oder? Nur weil Sie die lückenlose Überwachung der Linkspartei forderten oder als Drahtzieher der CSU-Medienaffäre gelten; doch noch haben Sie ja als Minister nichts falsch gemacht.

Mir liegt als Pirat und Verkehrspolitiker einiges daran, dass Sie sowohl ein guter Internetminister, als auch ein guter Verkehrsminister werden und ich möchte Ihnen #ausGründen gerne Tipps geben, wie Sie das schaffen können.

Teil 1 – Ihre neue Zielgruppe

Von einem konservativen Politiker aus Bayern, der sich vielleicht in der Tradition eines Franz Josef Strauß sieht, muss man sicherlich ein gewisses Gepolter erwarten. Möglicherweise kommt es „zu Hause“ gut an, wenn Sie dem politischen Gegner mal sagen, er sei gar keine Partei sondern eine Bande Krawallmacher oder gehöre überwacht und verboten – oder wenn Sie Unternehmen auffordern andere Bundesländer zu verlassen.
Doch nun können Sie sich nicht mehr nur mit vollem Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger in den Landkreisen Weilheim-Schongau, Landsberg am Lech und Garmisch-Partenkirchen im Deutschen Bundestag einbringen, Sie haben als Minister nun eine breitere Zielgruppe.

Als Verkehrsminister sollten Sie zunächst bedenken, dass es noch andere Bundesländer gibt, die möglicherweise eine andere Infrastruktur als Bayern haben und auch Staaten hinter ihren Grenzen, die allesamt keine Autobahnmaut erheben. Ballungsgebiete beispielsweise sind viel stärker auf funktionierende ÖPNV-Angebote und Nahmobilität angewiesen als die Landkreise in den großen ländlichen Räumen Bayerns.
Sie haben von Herrn Ramsauer riesige Baustellen im Ministerium geerbt, aber die Forderungen für mehr Geld zum Erhalt der Infrastruktur sind in den Koalitionsverhandlungen von 7,2 Milliarden auf 1,25 Milliarden Euro pro Jahr reduziert worden. Sie sind nun für die Mobilität aller Menschen in Deutschland verantwortlich. Helfen Sie denen, die sich nicht selbst helfen können, die beispielsweise ohne Auto mobil sein müssen – und retten Sie die Infrastruktur langfristig und zukunftsgerichtet. Dazu schreibe ich sicherlich demnächst mehr.

Auch als erster Internetminister der Bundesrepublik können Sie etwas völlig Neues schaffen. Sie können derjenige sein, der die Netzpolitik nach vorne bringt und Deutschland mittels der digitalen Infrastruktur und der Kreativität seiner Bürger zu einem Nährboden für Innovationen und Lebensqualität macht. Sie können sich aber auch zum Spielball internationaler Konzerne und Partikularinteressen machen, das Leben und die Kreativität im Netz – und somit überall – einschränken und damit maßgeblich zur Aufgabe freiheitlicher Ideen in diesem Jahrzehnt beitragen.
Es liegt an Ihnen, aber da Sie jetzt Internetminister sind, sollten Sie vielleicht zunächst schauen, was in der Netzpolitik trendet und wie Politik in und mit dem Netz funktioniert, sonst haben Sie ganz schnell einen Shitstorm, der stärker ist, als das übliche Gemaule unzufriedener Lobbyisten bei Verbandspodiumsdiskussionen. Die Lobbyisten im Netz sind einzelne Bürger – manche mehr, manche weniger gut vernetzt. Sie sind scheinbar schlecht organisiert, aber verdammt schnell darin, Meinungen auszutauschen.

Ihr Image hilft dabei leider nicht. Ihr politisches Wirken ist für netzaffine Menschen voller Warnungen oder Ausrufezeichen. Die vollständige Überwachung durch den Verfassungsschutz und ein Verbotsverfahren gegen die Linkspartei forderten Sie. Das und Ihre Äußerungen über die Grünen dürfte einige Menschen verstört haben, denn solche Forderungen würden in letzter Konsequenz zu einer Einparteiendemokratie, also faktisch einer Diktatur, führen. Was in Deutschland derzeit nur gefährlich klingt, ist international und langfristig eine echte Bedrohung für die hart erkämpfte Freiheit unserer christlich geprägten Welt und eine Bedrohung für alle christlichen Werte, ..um es Ihnen als Mitglied einer C-Partei zu verdeutlichen (mehr dazu, und was uns die wunderbare Brotvermehrung über Teilen und Teilhabe verrät, vielleicht demnächst).

Die digitale Infrastruktur, für die Sie nun verantwortlich sind, verzeiht kein Denken in Landesgrenzen und sie reagiert sehr sensibel auf Überwachungsinfrastrukturen, denn alles, was Sie einsetzen wollen, was man dem Verfassungsschutz oder Landespolizisten einräumt, wird garantiert von den unterschiedlichsten Akteuren missbraucht.
Eine solche Struktur benötigt man auch für Zensur, ob diese nun von schlimmen Regimen durchgeführt wird oder gut gemeint ist, wie ein Anruf beim ZDF. Zensurinfrastruktur ist Zensurinfrastruktur. Technik teilt nicht in Gut und Böse, sofern es da „Gut“ überhaupt geben kann. Dass Sie an „gute Zensur“ glauben, ist leider auch so ein Vorurteil, welches Sie erworben haben.

Hatte ich bereits erwähnt, dass das Internet nicht an der Staatsgrenze aufhört? Ja, aber ich sollte es nochmals tun, um Sie darauf hinzuweisen, dass Sie als Internetpolitiker auch so etwas wie ein Botschafter offener Grenzen sind. So würden das die meisten Netzpolitiker wohl zumindest verstehen. Auch hier gilt es Ihr Image zu verbessern, denn mit der „Europa-Distel“ für den „größten europapolitischen Fauxpas“ und Ihren Äußerungen über die doppelte Staatsbürgerschaft, Flüchtlinge und Europa haben Sie bisher eher einen eher gegenteiligen Eindruck hinterlassen.

So, das sollte Ihnen reichen, um mit den ersten Kurzinterviews ein neues Image zu beginnen. OK, man kann Menschen durch Blogbeiträge nicht ändern, aber ich kenne Sie ja nicht persönlich. Vielleicht haben Sie sich ja bisher nur verstellt, weil Sie nicht Verkehrs- und Internetminister waren, sondern den Job des CSU-Generalsekretärs ausfüllen mussten. Dann soll es nicht daran scheitern, dass Sie von nichts wussten. Daran nicht. Dafür werde ich sorgen und mit mir viele andere.